Album-Review: Frostreich – Stella Polaris

Album-Cover Stella Polaris Black MetalJunge Bands, bei denen man nicht nach den ersten vier Takten die musikalischen Vorbilder heraushört, sind rar gesät. Umso mehr lohnt es sich, seine volle Aufmerksamkeit den Klängen von FROSTREICH zu widmen. Mit „Stella Polaris“ erschien am 17. November das zweite Album der Einmann-Armee um den Protagonisten Wynthar. Das Album wurde als Digipak in einer Auflage von 100 Exemplaren veröffentlicht. Für das Mastering ist die Rostocker Szenegröße Steffen Nevermann vom Shredsound Studio verantwortlich. Wer will, kann die neue FROSTREICH-Scheibe ruhig Black Metal nennen. Genreeinteilungsfanatiker könnten allerdings Schwierigkeiten beim Einsortieren in die richtige Schublade kriegen.

Woher kommt bloß diese musikalische Einzigartigkeit, um nicht zu sagen Eigensinnigkeit, die FROSTREICH da an den Tag legt? Womöglich liegt es an dem unvoreingenommenen Umgang mit dem Black Metal Genre. Typisch sind vor allem die unkonventionellen Harmonieverläufe und der Hang zum Hymnenhaften. Beginnt man mit dem Hören eines Songs, so ist man gefangen. Und zwar gerne, denn fast unaufhörlich schreitet der musikalische Spannungsverlauf durch jedes Lied. Zwar brechen die epischen Parts immer mal wieder in akustische Zwischenspiele auf, doch „Stella Polaris“ saugt den Hörer kontinuierlich in eine Parallelwelt, in der Zeit keine Rolle mehr spielt (acht Minuten lange Songs sind keine Seltenheit). Ein Mittel zur Erzeugung dieser fast schon gruseligen Stimmung sind die fast immer präsenten Lead-Gitarren, die sich ihren Weg dezent und hintergründig und doch von essentieller Wichtigkeit durch die Songs bahnen.

Im Vergleich zum Debütalbum „Geistfahrt“ bewegt „Stella Polaris“ sich in Hinsicht auf Songwriting und Atmosphäre einen großen Schritt nach vorne. Angesichts des noch frischen Alters von Wynthar und FROSTREICH mag es seltsam klingen, doch „Stella Polaris“ hört sich noch mehr nach FROSTREICH an als sein Vorgänger. Prägnant sind neben der harmonischen Verläufe auch das Drumming und die zahlreichen rhythmischen Spielereien. In „Farbfinsternis“ beispielsweise erweckt das Schlagzeug durch seine Blastbeats im mäßigen Tempo mit Dreier-Feeling den Eindruck eines gehetzten Marsches – spannend! Den auf „Geistfahrt“ häufig begegnenden klaren Gesangspassagen wurde der Garaus gemacht und im Gegenzug Platz für noch variantenreichere Vocals geschaffen. Der Gesang siedelt sich somit zwischen „herkömmlichen“ Black Metal Screams – nur mit einer Prise mehr Textverständlichkeit –, modernem Shouting und verzweifelt rufender Artikulation an. Sowohl deutsch- als auch englischsprachige Titel harmonieren nebeneinander und widmen sich kniffeligen philosophischen Fragen, unter denen trotzdem der Ausruf „scheißegal“ eine der auffälligeren Passagen bildet.

Anspieltipp: Kollaps 25.8

Mit „Stella Polaris“ lässt FROSTREICH ein abenteuerliches Stück Musik auf die Menschheit los, das in puncto Homogenität und Gefühl keine Wünsche offen lässt. Überall herrscht Melancholie und endloses Leid, die depressive Stimmung steckt jede auch noch so breit grinsende Frohnatur an. Sollte dies das Ziel von Wynthar gewesen sein, so dürfte er es erreicht haben und Unzählige in seinem frostigen Reich willkommen heißen dürfen.

Tracklist
1: Facing Infinity
2: Stella Polaris
3: Farbfinsternis
4: Solaris
5: Neurotoxin
6: Lunar Eclipse
7: Kollaps 25.8
8: Little Man’s Horizon
9: Blick aus weiter Ferne

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